DAIMLER, VOLVO & DAF: DIESE E-TRUCK-MODELLE SOLLEN DIESEL-LASTWAGEN ABLöSEN

Elektro-Laster werden kaum nachgefragt. Mit neuen, leistungsstarken Modellen wollen Hersteller wie Daimler, Volvo und DAF das ändern. Doch die Spediteure zögern – aus mehreren Gründen.

Die Leistungsdaten sind ebenso gigantisch wie die Kosten. Im vollelektrischen Sattelschlepper eActros 600 von Daimler Truck sind drei Batteriepakete mit einer Kapazität von jeweils 207 Kilowattstunden verbaut.

Die Lithium-Eisenphosphat-Zellen darin sind auf eine Laufleistung von mehr als 1,2 Millionen Kilometern ausgelegt. Ohne Nachladen soll der E-Truck selbst mit einer Zuladung von 22 Tonnen bis zu 500 Kilometer weit fahren können.

Das hat seinen Preis. Der eActros 600, dessen Produktion im November startet und auf der diesjährigen Branchenmesse IAA Transportation (17. bis 22. September) in Hannover gezeigt wird, ist in der Anschaffung mindestens doppelt so teuer wie die bisherige Dieselvariante.

Daimler Truck: Modell eActros soll Alternative zu Diesel-Lastkraftwagen sein

Der Grund: Allein die Akkumodule, die auf eine installierte Gesamtkapazität von 621 Kilowattstunden kommen, kosten schätzungsweise 60.000 Euro und wiegen fast 4,5 Tonnen.

Zum Vergleich: Die Speicherkapazität der Batterien in elektrischen Pkw liegt je nach Segment zwischen 40 und 100 Kilowattstunden – ist also um ein Vielfaches geringer. Verläuft die Antriebswende infolge teurer Energiespeicher schon bei Autos eher zäh, kommt diese bei schweren Nutzfahrzeugen bis jetzt so gut wie gar nicht in die Gänge.

Karin Radström will das ändern. „Unser eActros 600 ist eine starke Alternative zu einem Diesel-Lkw“, sagt die designierte Chefin von Daimler Truck. Etwa 2000 Bestellungen und mehr als 1000 Absichtserklärungen von Kunden hat sie für das Modell bereits erhalten. Wirklich viel ist das jedoch nicht. Die gesamten Neuaufträge ihres Konzerns lagen zuletzt unabhängig vom Antrieb bei fast 200.000 Lkw.

„Elektrische Nutzfahrzeuge in Europa zu finden ist wie ein vierblättriges Kleeblatt“, erklärt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR) in Bochum. Insbesondere große E-Laster sind Ladenhüter. Im ersten Halbjahr wurden in der EU, Großbritannien, Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz laut dem Branchenverband ACEA gerade einmal 2138 Stromtrucks mit einem Gesamtgewicht von mehr als 16 Tonnen neu zugelassen.

Dem gegenüber stehen mehr als 169.000 Diesel-Sattelschlepper. Nur ein Prozent der zuletzt verkauften Schwerlaster fahren folglich elektrisch. Etwas besser sieht die Lage bei mittelschweren Nutzfahrzeugen zwischen 3,5 und 16 Tonnen Gesamtgewicht aus.

Präsident von DAF Trucks: „Einen Lkw kauft man mit Taschenrechner“

Hier liegt der Marktanteil der Strom-Trucks aktuell bei 6,3 Prozent. Das heißt jedoch zugleich, dass mehr als neun von zehn mittelschweren Lastwagen mit einem Verbrennungsmotor angetrieben werden. Zudem stehen die kleineren Nutzfahrzeuge für weniger als 20 Prozent des Neugeschäfts, die schweren Trucks bilden mehr als 80 Prozent des Marktes ab.

Harald Seidel, Präsident von DAF Trucks, der Europatochter des US-Nutzfahrzeugriesen Paccar, hat für das überschaubare Elektrogeschäft seiner Branche eine simple Erklärung parat. „Vergessen Sie nicht: Einen Pkw kauft man mit dem Herzen, einen Lkw mit dem Taschenrechner. Ein Elektro-Lkw braucht einen Business-Case“, sagte Seidel dem Handelsblatt.

Vieler seiner Kunden hätten noch Bedenken bei Lastern mit großen Akkus oder Brennstoffzellen in Bezug auf die mangelnde Ladeinfrastruktur und fehlende Kostenparität. Aktuell wären es überwiegend „early adopters“ mit ambitionierten Klimazielen, die bereit wären, einen Mehrpreis für Stromtrucks zu bezahlen.

Für einen gut ausgestatteten Sattelschlepper mit Dieselmotor müssen Spediteure schnell 100.000 Euro zahlen, für eine vollelektrische Variante in der Regel zumindest 200.000 Euro, oft sogar 250.000 Euro oder noch mehr. Zugleich sieht Seidel immer mehr Anwendungsfälle, in denen die Gesamtbetriebskosten, die sogenannten Total cost of onwership (TCO), für E-Laster vorteilhaft sind, etwa im innerstädtischen Verteilerverkehr.

Bewegung kommt allmählich auch in den Fernverkehr. „Wir erwarten, dass der Markt in den kommenden Jahren wachsen wird“, sagt Seidel. DAF startet 2025 mit der Serienproduktion des XF Electric, einem Sattelschlepper, der eine elektrische Reichweite von bis zu 500 Kilometern bieten soll und dessen Batterie binnen 30 Minuten wieder auf 80 Prozent geladen werden kann.

„Das bedeutet, dass der Lkw tausend Kilometer pro Tag fahren kann mit einer Zwischenladung während der vorgeschriebenen Pause des Fahrers.“

Volvo Trucks: Neues Modell von FH Electric soll bis zu 600 Kilometer Reichweite haben

Noch bessere Werte verspricht der schwedische Nutzfahrzeugriese Volvo Trucks. Eine Langestreckenversion des Batterielasters FH Electric soll Ende 2025 auf den Markt kommen und mit einer Akkuladung bis zu 600 Kilometer weit fahren. Volvo, Daimler, DAF und viele weitere Anbieter wollen mit ihren neuen E-Trucks beweisen, dass es möglich ist, die klimaschädlichen Abgase drastisch zu reduzieren, die die Branche ausstößt.

„Die Verfügbarkeit von Elektrotrucks ist nicht der Engpass“, sagt DAF-Präsident Seidel. Dennoch üben sich viele Spediteure aktuell in Kaufzurückhaltung. „Die Märkte sind schwierig. Die Kunden rennen den Lkw-Herstellern nicht gerade die Tür ein bei vollelektrischen Trucks“, sagt Romed Kelp, Nutzfahrzeugexperte bei der Strategieberatung Oliver Wyman. Obwohl die Gewinnmargen der Konzerne bereits unter Druck stehen, müssen sie massiv investieren.

E-Truck-Hersteller können nicht alle Kosten an Kunden weitergeben

„Die Entwicklungsaufwände für Batterien, Brennstoffzellen, moderne Elektronik und Software sind längst nicht durch“, erklärt Kelp. Schlimmer noch: Die hohen Kosten können die Hersteller nicht eins zu eins auf die Kunden umlegen. Insbesondere kleine und mittelständische Logistikunternehmen sehen sich außerstande, um bis zu 250 Prozent höhere Anschaffungskosten für E-Trucks zu stemmen.

Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey sollten Laster mit Akkus oder wasserstoffbasierter Brennstoffzellen maximal um 30 Prozent teurer als Diesel-Sattelschlepper sein. Sonst bleiben sie auch aus Perspektive der Gesamtbetriebskosten für die allermeisten Kunden unattraktiv.

Die Folge: Ohne Anreize oder direkte Förderungen wie Kaufprämien bleibe die Verbreitung von E-Trucks auf einem „Micky-Mouse-Niveau“, meint CAR-Direktor Dudenhöffer. Er plädiert vor allem für eine Senkung der Straßennutzungsgebühren für Akku-Trucks.

Ein weiteres Problem ist die dürftige Infrastruktur. Aktuell gibt es kaum öffentlich verfügbare Ladepunkte für Lkw, die meisten Schnelllader entlang der Autobahnen sind für Pkw reserviert. Abhilfe sollen sogenannte Megawatt-Charger bringen. Doch diese befinden sich bisher in der Pilotphase.

Auch die Kunden der neuen E-Modelle von Daimler, DAF oder Volvo Trucks müssen daher wohl in der Praxis weiter mit Ladezeiten von zwei Stunden oder mehr rechnen.

Erstpublikation: 16.09.2024, 12:38 Uhr.

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