Die Elektrifizierung der deutschen Autoflotte schreitet voran, knapp zwei Millionen rein elektrische Autos fahren über die Straßen der Republik. Aber wieviel CO2 sparen wir damit eigentlich ein?
Rund 50 Millionen zugelassene Pkw weist das Kraftfahrtbundesamt für das Jahr 2024 in Deutschland aus. Etwa 4,3 Millionen davon fahren mit einem alternativen Antrieb, ergo Elektro- oder Hybridmotoren. Diese sparen gegenüber den herkömmlichen Verbrennern direkte CO2-Emissionen auf der Straße ein. Aber wieviel eigentlich genau? Wir haben nachgerechnet.
Die Berechnung der CO2-Einsparungen ist komplex und vielschichtig. Ein Aspekt ist die genaue Antriebsart. Von den 4,3 Millionen Autos mit alternativem Antrieb sind etwa 2,9 Millionen Hybrid-Fahrzeuge. Die gibt es in aller Regel als Plug-in-Hybrid (PHEV) mit einem Stecker zum Aufladen einer Hochvoltbatterie oder ohne Stecker. Bei letzteren kommt die Energie für den elektrischen Antrieb aus einem Verbrennermotor statt eines Akkus. Auch eine Mischform, die sogenannten Mildhybride sind in der Zahl enthalten.
Die Meinungen zur CO2-Einsparung von Hybriden sind allerdings gespalten. Da so genannte Vollhybride (wie frühere Generationen des Toyota Prius) und Mildhybride, die ohne Möglichkeit zum Aufladen an der Steckdose auskommen, nicht vollelektrisch fahren können, stoßen sie im Betrieb stets Abgase aus. Daher klammern wir sie an dieser Stelle von der Betrachtung aus. Bei PHEVs sieht das anders aus. Unbestritten ist: Wenn sie sich nur mit dem Elektroantrieb fortbewegen, verursachen sie lokal keine CO2-Emissionen – ganz genau wie Vollstromer.
Jedoch zeigen Untersuchungen, dass die Praxis ganz andere Abgaswerte liefert als die Hersteller in ihren Verbrauchstests im Labor und gemäß der WLTP-Berechnungsvorschriften ermitteln. Auch die Zeit, die Menschen wirklich im Elektromodus fahren, ist in der Realität oft geringer als angenommen. Gerade wer viel auf langen Strecken unterwegs ist, stößt in einem PHEV sogar tendenziell mehr CO2 aus als in einem modernen Diesel.
Das liegt einerseits daran, dass häufig wegen des umweltfreundlichen Antriebs ein größeres Auto als ursprünglich geplant den Zuschlag erhält. Andererseits sind die Fahrzeuge ohnehin deutlich schwerer als die Verbrenner-Alternativen, weil ein – wenn auch kleiner und vergleichsweise leichter – Elektromotor, aber vor allem eine schwere Hochvoltbatterie auf das Gesamtgewicht des Fahrzeugs durchschlagen.
Wegen der höchst individuellen Fahrprofile und kaum verallgemeinerbarer Verbräuche lassen wir an dieser Stelle auch die PHEVs außer Acht für unsere Berechnung und beschränken uns auf die etwa 1,4 Millionen vollelektrischen Fahrzeuge ("battery electric vehicle", BEV).
Eine Untersuchung des Energieversorgers E.on kam kürzlich zu dem Schluss, E-Autos würden rund 1,4 Milliarden Liter fossiler Treibstoffe einsparen. Das entspricht einer Verringerung der CO2-Emissionen um rund 4 Millionen Tonnen. Das Problem an der Berechnung: Sie hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Denn dafür müsste jedes E-Auto in Deutschland 100 Prozent Grünstrom tanken.
In der Praxis jedoch dürfte das für die wenigsten Fahrzeuge gelten, schließlich haben die meisten Menschen in Deutschland keine Solaranlage auf dem Dach. Mit einer solchen und einer vorausschauenden Ladeplanung ließe sich das Auto bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Langstreckenfahrten, ausschließlich mit CO2-freiem Strom betreiben. Daher lautet die kurze Antwort erst einmal: Ja, auch E-Autos können CO2 verursachen. Lokal bleiben sie jedoch CO2-emissionsfrei.
Plausibler ist daher die Strommix-Rechnung, die etwa auch die Wirtschaftswoche ihrer Analyse zugrunde legt. Sie berücksichtigt, dass die Mehrheit der E-Autos in Deutschland aus dem Stromnetz geladen werden. Der Anteil grüner Stromerzeugung steigt jedes Jahr kontinuierlich an, weil Solar- und Windenergie beständig auf dem Vormarsch sind.
Dadurch verbessert sich auch die Umweltbilanz der Stromer. Während eine Kilowattstunde (kWh) Strom im Jahr 2007 im Schnitt noch rund 800 Gramm CO2 verursachte, waren es 2024 rekordverdächtig geringe 340 Gramm. Das entspricht einer Reduktion von 57 Prozent, Tendenz weiter fallend.
Moderne Elektroautos verbrauchen meist zwischen 15 und 25 kWh Strom auf 100 Kilometern Fahrstrecke. Nehmen wir für unsere Rechnung als Beispiel ein Tesla Model Y, das zuletzt meistverkaufte E-Auto der Welt. Das verbraucht im Schnitt etwa 20 kWh. Dann ergäbe sich mit dem 2024er Strommix auf 100 Kilometern ein CO2-Ausstoß von 6,8 Kilogramm bei komplett aus dem öffentlichen Stromnetz geladenen Fahrzeugen.
Ein durchschnittlicher Benziner der deutschen Fahrzeugflotte verbraucht in etwa 7,7 Liter auf 100 Kilometer. Ein verbrannter Liter Benzin verursacht rund 2,37 Kilogramm CO2, auf 100 Kilometer ergeben sich so ziemlich genau 18,25 Kilogramm CO2. Zwar verbraucht ein Diesel nur rund sieben Liter auf 100 Kilometern, doch steckt im Kraftstoff etwas mehr CO2. So kommen wir hier auf einen CO2 Ausstoß von 18,55 Kilogramm.
In der Summe ergibt das einen rund 2,7fach höheren CO2-Ausstoß von Verbrennern gegenüber E-Autos. Auf 100 Kilometer spart ein E-Auto so also rund 11,5 Kilogramm des klimaschädlichen Gases ein.
Doch was ist eigentlich mit dem Akku? Ein beliebtes Argument von E-Auto-Gegnern ist der vermeintlich große CO2-Rucksack, den Stromer aus der Produktion mitbringen. Und zugegeben: Da ist durchaus etwas dran. Die Produktion von Lithium-Ionen-Akkus ist energieintensiv und verursacht viel CO2. Wieviel genau hängt zum einen von der Größe des Akkus ab, zum anderen vom Strommix, der bei der Herstellung zum Einsatz kommt.
Bislang stammten die meisten Akkus aus chinesischer Fertigung. Der dortige Strommix wird seit Jahren in immensem Tempo grüner, auch wenn China ungeachtet des Erneuerbaren-Booms im Land massiv fossile Energieträger nutzt. Doch inzwischen und vor allem künftig setzen die Autobauer auch verstärkt auf die europäische Produktion von Batterien. Einen einheitlichen Wert zu finden, stellt sich also als schwierig dar.
Eine viel beachtete Studie aus Schweden kam im Jahr 2019 zu dem Schluss, dass für eine Kilowattstunde Akkukapazität zwischen 61 und 106 Kilogramm CO2-Äquivalente anfallen. Nehmen wir für unsere Rechnung diese Zahlen und davon den schlechteren Fall von 106 Kilogramm CO2-Äquivalenten:
Ein Kompaktfahrzeug wie der VW ID.3 – das elektrische Golf-Pendant, wenn man so will – kommt in der Basisversion mit einer 58 kWh großen Batterie, die des Basis-Model-Y von Tesla ist ähnlich groß. Diese hätte in der Produktion demzufolge 6.148 Kilogramm CO2 verursacht. Mit unserer zuvor ermittelten CO2-Einsparung von 11,5 Kilogramm pro 100 Kilometern Fahrstrecke gegenüber einem Verbrenner müsste der ID.3, der sogar etwas unter 20 kWh auf 100 Kilometern verbraucht, also etwa 53.500 Kilometer fahren, bis er die CO2-Belastung durch den Akku wieder kompensiert hat. Wohlgemerkt in der Worst-Case-Rechnung. Nähmen wir eine geringere CO2-Belastung in der Akkuproduktion oder weniger CO2-Ausstoß beim getankten Strom an – beides entwickelt sich aller Voraussicht nach entsprechend – schrumpft dieser Wert immer weiter zusammen.
Die durchschnittliche Fahrleistung pro Jahr und Auto betrug 2023 – für 2024 liegen noch keine Zahlen des KBA vor – rund 12.320 Kilometer. Damit bräuchte ein ID.3 weniger als viereinhalb Jahre, um eine bessere CO2-Bilanz als ein Verbrenner vorzuweisen.
Nehmen wir nun an, die Fahrstrecke pro Fahrzeug blieb für 2024 konstant im Vergleich zum Vorjahr, dann kämen die 1,4 Millionen Elektroautos auf eine Gesamtfahrleistung von 17,267 Milliarden Kilometern.
Bei einem CO2-Vorteil von 11,5 Kilogramm pro 100 Kilometern Fahrstrecke gegenüber einem Verbrenner ergeben sich also knapp zwei Millionen Tonnen (ganz genau sind es 1,986 Millionen Tonnen) CO2-Ersparnis der gesamten deutschen E-Fahrzeugflotte. Das ist ungefähr die Hälfte der von E.on postulierten Menge, aber immer noch in etwa so viel wie Malta in einem ganzen Jahr ausstößt.
E-Auto-Kritiker halten das Rechnen mit dem durchschnittlichen deutschen Strommix für falsch und behaupten, zusätzlicher Strombedarf müsse zwangsweise aus Kohlekraftwerken gedeckt werden, was den anteiligen CO2-Ausstoß drastisch erhöht. Die aktuelle Entwicklung hin zu Smart Metern und variablen Strompreisen am Hausstromanschluss bedeutet aber das glatte Gegenteil, weil die variablen Strompreise dem Angebot an Erneuerbarem Strom folgen.
Vor allem am Wochenende, wenn der Industrie-Bedarf an Strom am niedrigsten ist, kann der Börsenstrompreis sogar ins Negative kippen. Wer einen variablen Stromtarif nutzt, und sein Ladeverhalten am aktuellen Preis ausrichtet, der nimmt bevorzugt das EE-Überangebot auf – und fährt damit bilanziell sauberer als mit dem rechnerischen Durchschnitts-Strommix.
Mit steigendem Anteil an Erneuerbarem Strom wird diese Rolle der E-Autos immer wichtiger: Während heute regelmäßig PV- und Windstrom abgeregelt werden müssen, weil die Netze das Überangebot an Strom nicht aufnehmen können, könnte eine nochmals deutlich angewachsene E-Auto-Flotte genau diesen Überstrom gezielt nutzen und damit die Voraussetzungen für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren schaffen.
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2025-03-18T08:16:16Z