RENAULT 4 E-TECH IM ERSTEN FAHRTEST: KULTIGES E-AUTO MIT EINER SCHWACHSTELLE

Der Renault 4 E-Tech Electric bringt Retro-Charme auf die Straße – als stylisches Familienauto mit cleverem Platzangebot und innovativem Ladeanschluss. Ob Kurzstrecke oder Alltag: Der Kultklassiker ist zurück und bereit für die Zukunft!

Das historische Vorbild des elektrischen R4 aus den 60ern war ein typisch französisches Auto, das mit großen Federwegen, weicher Abstimmung und furchterregender Seitenneigung in schnell gefahrenen Kurven klar machte, dass es die gemütliche Gangart bevorzugt. Mit dieser Schaukeligkeit hat der elektrische R4 Baujahr 2025 zwar nichts mehr am Hut, den Komfort optimiert er aber trotzdem. Das Auto steht auf breiten 18-Zoll-Rädern und liefert auf Wunsch genau die Dynamik, die so ein Fahrwerk erwarten lässt. Der tiefe Schwerpunkt durch den schweren Akku im Fahrzeugboden sorgt, wie üblich bei E-Autos, für sehr wenig Seitenneigung in Kurven – und das ganz ohne aktive Dämpfer oder gar Luftfederung. Das relativ geringe Gewicht von 1.400 bis maximal 1.500 kg (je nach Akku und Ausstattung) ist der Agilität weiter zuträglich. Der Federungskomfort ist dabei unabhängig vom gewählten Fahrmodus sehr ordentlich – die zum Teil mit Schlaglöchern gespickten Strecken der Testfahrt zeigten die Fähigkeiten des Fahrwerks.

Stärker motorisierte E-Autos mit Frontantrieb leiden oft unter mangelnder Traktion, die vom Anfahr-Drehmoment der E-Maschine überfordert wird. Dieses Problem erledigt sich beim R4 von selbst: Gewicht, Leistung und Fahrwerksabstimmung kombinieren sich hier zu einer sehr guten Traktion. So lange die Straße nicht besonders nass oder gar schmierig ist, ist der Frontantrieb kaum zu bemerken. Wie die Traktionskontrolle bei rutschigen Straßenverhältnissen arbeitet, muss ein ausführlicher Test zeigen. In Verbindung mit optionalen Ganzjahresreifen bietet Renault zwei spezielle Modi für die Traktionskontrolle an: Auf Eis und Schnee sowie auf losem Untergrund soll mehr Schlupf bessere Fahrbarkeit garantieren.

Dem aktuellen Trend folgend integriert Renault beim R4 erstmals eine One-Pedal-Betriebsart. In diesem Modus bremst der elektrische Antrieb das Auto ohne Bremspedal-Einsatz bis zum Stillstand ab, sobald der Fuß vom Gas ist. Viele E-Auto-Fans wollen einen solchen Fahrmodus, weil er vermeintlich sparsamer ist. Tatsächlich bedeutet das elektrische Bremsen bis zum Stillstand aber, dass sogar Energie für das Bremsen aufgewendet werden muss, weil die E-Maschine bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten per Rekuperation kaum mehr ein Bremsmoment erzeugt. Einen spürbaren Mehrverbrauch bedeutet der One-Pedal-Modus indes nicht. So bleibt die Modus-Wahl Geschmackssache.

Platzangebot

Einen schicken Retro-Stromer mit mit wenig Platz hat Renault mit dem R5 schon im Angebot. Klar, dass der R4 deshalb die Platz-Karte spielt, und diesen Platz holt sich das Auto über die Höhe von 1,57 Metern und die Länge von 4,14 Meter. Damit bringt der R4 tatsächlich Platz für vier Erwachsene unter. Sitzriesen stoßen auf der Rückbank am Dachhimmel an – das später im Jahr verfügbare Stoff-Faltdach der "Plein Sud"-Versionen verschafft hier auch geschlossen ein paar Zentimeter mehr Luft.

Das Kofferraumvolumen gibt Renault nach französischer Messnorm mit 420 Litern an, das Kabelfach unter dem Kofferraumboden mit 35 Litern eingerechnet. Zum Vergleich: In einem VW Golf der aktuellen Generation (4,28 Meter Länge) gibt es nicht mehr Knie- und Kopffreiheit hinten und mit rund 380 Litern vor allem auch einen kleineren Kofferraum. Das reine Kofferraumvolumen wird ergänzt um praktische Ablagen für Flaschen und anderen Kleinkram. Einen Frunk (Front-Kofferraum) bleibt Renault den Kunden aber auch beim R4 schuldig, obwohl unter der vorderen Haube durchaus Platz für das Ladekabel wäre. Die Strippe muss also in den Kofferraum.

Damit das Ladekabel dort auch erreichbar ist, wenn zum Beispiel eine Getränkekiste im Kofferraum steht, ist der Boden zweigeteilt. Eine pfiffige und preiswerte Lösung, aber ein Frunk wäre uns dennoch lieber.

Besonders stolz ist Renault auf die ungewöhnlich niedrige Ladekante des R4: Ähnlich wie beim historischen Modell reicht die Heckklappe sehr weit nach unten bis in die Stoßstange. Die Kante liegt 61 Zentimeter über dem Boden und macht den Kofferraum sehr gut nutzbar.

Richtig cool ist schließlich die mögliche Anhängelast von 750 Kilogramm – damit macht der R4 sich endgültig zum praktischen Multitalent.

Antrieb, Akku, Reichweite und Ladeleistung

Renault weist in den Presse-Unterlagen wiederholt darauf hin, dass es sich beim Motor des R4, genau wie bei denen im R5, im Scénic und im Mégane e-tech, um einen "Synchronmotor mit gewickeltem Rotor" handele. Wie bei BMW, die die gleiche Technik in etwas anderer Ausführung "Fremderregte Synchronmaschine" nennen, hat diese Wahl den Vorteil, dass der Motor ohne Permanentmagnete aus seltenen Erden wie Neodym auskommt. Eine solche E-Maschine erreicht nicht die Leistungsdichten der besten PSM-Antriebe (Permanent erregte Synchronmaschine), für einen Antrieb mit 90 bis maximal 110 kW ist das aber kein großes Problem. Die notwendigen Schleifkontakte am Rotor sind auf die Lebensdauer des Autos ausgelegt, sollten im Regelfall also nicht zum Wartungsthema werden.

Zum Fahrtest stand uns nur die große Antriebsvariante mit 110 kW zur Verfügung, die das Auto, ganz elektro-typisch, quicklebendig macht. 8,2 Sekunden für den Sprint von null bis 100 km/h mögen in der Elektrowelt nicht der Rede wert sein – wir verweisen trotzdem gerne darauf, dass zum Beispiel ein Golf GTI der ersten Generation langsamer war.

Angesichts der knappen Akkukapazitäten des Renault 4 kommt es umso mehr auf den Verbrauch an. Bei den relativ langsam gefahrenen Runden im Umland von Lissabon sind zumindest die angezeigten Verbrauchswerte mehr als ok: Mit 12 bis 13 kWh pro 100 km könnte sogar die kleine Akku-Variante für über 300 Straßenkilometer reichen, mit dem 52-kWh-Akku wären es rund 400 km. Auf einem kurzen Abschnitt vor dem Flughafen mit einer Durschnittsgeschwindigkeit von rund 85 km/h lag die Verbrauchsanzeige schon bei 17,5 kWh. Für unseren Autobahntest bei Tempo 130 würden wir deutlich über 20 kWh pro 100 km erwarten, weil die hohe Bauform einen hohen Luftwiderstand bedeutet. Mehr als 220 bis 230 km Reichweite dürften auch mit dem großen Akku nicht drin sein.

Ein echtes Langstreckenauto ist der praktische Franzose damit nicht – vor allem, weil auch die Ladeleistung keine positive Überraschung darstellt: Der 40-kWh-Basisakku lässt sich mit maximal 80 kW befüllen, der 52-kWh-Akku mit maximal 100 kW – jeweils Standard für die Fahrzeugklasse. Für beide nennt Renault eine Ladedauer von 30 Minuten von 15 bis 80 Prozent Ladestand.

Als Konsequenz berechnet die Google-Maps-Navigation für die Strecke von Lissabon nach Paris (1.700 km) ganze elf Ladestopps und eine Fahrzeit von 23 Stunden.

Immerhin soll das Laden schneller starten als bei anderen Autos der Klasse: Renault integriert den Plug-and-Charge-Service in seine kleinen Stromer, das heißt, wer mit der My-Renault-App seinen Ladetarif im Auto hinterlegt, der muss den R4 einfach nur an einer kompatiblen Ladesäule (etwa von Ionity) anstöpseln und das Laden beginnt.

Wer das Auto vor allem in der heimischen Garage aufladen will, der wird sich über Renaults Entscheidung, den Ladeanschluss links zu platzieren, freuen. Beim größeren Scenic sitzt der Ladeanschluss rechts hinter dem Vorderrad, in engen Garagen ist so ein Anschluss dann kaum zu erreichen.

In Deutschland noch nicht nutzbar: Bidirektionaler Ladeanschluss

Eine weitere Lade-Besonderheit teilt sich der R4 ebenfalls mit dem R5: Per bidirektionalem Ladeanschluss gibt das Auto bis zu 11 kW Leistung an eine geeignete Wallbox ab. Der Auto-Akku wird damit zum Puffer für Netzstrom – eine Funktion, die in Frankreich mit geeigneten Stromtarifen bereits genutzt werden kann und auch in Deutschland eingeführt werden soll. Die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen dafür hat die Bundesregierung bis heute aber nicht geschaffen. Zusammen mit variablen Stromtarifen sollen sich, verschiedenen Studien zufolge, damit 50 Prozent der Fahrstromkosten einsparen lassen. Besitzer von Dachsolaranlagen können sogar Geld mit der Technik verdienen, wenn sie überschüssigen Strom aus den Mittagsstunden speichern und in den Abendstunden ins Netz einspeichern.

Bis das geschehen ist, dient der R4 wenigstens als Stromquelle für direkt angeschlossene Verbraucher. Ähnlich wie bei den aktuellen Hyundai-Modellen stellt ein Adapter (nicht im Serien-Lieferumfang, ca. 200 Euro) eine Schukosteckdose zur Verfügung, die bis zu 3,7 kW Leistung abgibt und damit sogar schweres Werkzeug antreibt.

Assistenzsysteme

Beim Thema Assistenzsysteme lässt sich Renault nicht lumpen: Der R4 kann mit allem bestückt werden, was Renault auch in den größeren Klassen anbietet, also zum Beispiel mit einem fein ansprechenden, dynamischen Geschwindigkeitsregler mit Abstandsmessung per Radar. Das Tempo passt sich so nicht nur an vorausfahrende Fahrzeuge an, sondern auch an den Streckenverlauf. Im Test fuhr das Auto ohne weiteres Zutun auch in Kreisverkehren mit sinnvoller Geschwindigkeit. Die automatische Übernahme von Geschwindigkeitsbeschränkungen sieht Renault leider noch nicht vor – auf den untergeordneten portugiesischen Straßen hätte das auch nicht gut geklappt, weil die Erkennung immer wieder danebenlag.

Stark sind dafür die Sicherheitsfunktionen – zum Beispiel eine Warnsignal, das beim Öffnen der Türen ertönt, wenn sich von hinten ein Fahrzeug nähert. Das funktioniert sowohl links und rechts als auch mit den Vorder- und Hintertüren.

Beim Infotainment und den Assistenzsystemen kann der R4 sich so am eindrucksvollsten von den Konkurrenten aus dem Stellantis-Konzern absetzen: Citroen e-C3 und Opel Frontera sind hier viel schlechter aufgestellt.

Fazit und technische Details

Der Renault 4 E-Tech Electric ist ein pfiffiges, alltagstaugliches Familien-E-Auto. Das Platzangebot ist trotz der kompakten Außenabmessungen überzeugend, der Kofferraum ist, wie beim historischen Vorbild, sehr gut zu nutzen. Der günstige Einstiegspreis macht sich vor allem bei der Akkukapazität und bei der Reichweite bemerkbar. 40 kWh und 308 km beschränken den Aktionsradius doch arg, der Aufpreis für die 52-kWh-Batterie wird sich deshalb für viele Kunden schnell lohnen. Der serienmäßige bidirektionale Ladeanschluss ist eine spannende Investition in die Zukunft: Besitzer mit eigenem Stellplatz mit Stromanschluss könnten das Auto bald als Stromquelle für die Wohnung nutzen. Zusammen mit einem flexiblen Stromtarif oder einer Photovoltaik-Anlage würden sie so Stromkosten sparen.

Für wen ist der Renault 4?

Als Familienauto ohne großen Reichweitenanspruch ist der R4 fast uneingeschränkt zu empfehlen. Wer täglich mit bis zu vier Personen maximal 150 km zurücklegt, wird im kompakten Franzosen nichts vermissen. Mit dem großen Akku erhöht sich der Einsatz-Radius um ein Drittel. Im Vergleich mit der Konkurrenz aus dem Stellantis-Konzern (Citroën e-C3, Opel Frontera) ist dabei auch das Infotainment überzeugend. Der stärkste Konkurrent für den R4 kommt aus Südkorea und heißt Hyundai Inster.

Technische Daten:

Version "Comfort Range":

Leistung: 110 kW / 150 PS

Akkukapazität: 52 kWh

Verbrauch (WLTP): 15,1 kWh / 100 km

Reichweite (WLTP): 409 km

Beschleunigung: 8,2 Sekunden von 0 – 100 km/h

Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h

Preis: ab. 32.400 Euro

Version "Urban Range":

Leistung: 90 kW / 122 PS

Akkukapazität: 40 kWh

Verbrauch (WLTP): 14,7 kWh / 100 km

Reichweite (WLTP): 308 km Preis: ab 29.400 Euro

Abmessungen und Gewichte

Länge: 4,14 m

Breite: 1,80 m

Höhe: 1,57 m

Gewicht: ab 1.410 kg

Kofferraumvolumen: 420 Liter

Anhängelast: 750 kg

+ Gutes Platzangebot

+ Guter Fahrkomfort

+ Funktionale Assistenzsysteme

+ Sehr gutes Infotainment auf Google-Basis

- Kleine Akkukapazitäten

- Schwache Langstreckentauglichkeit

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2025-05-09T13:10:12Z